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Beweislast und Anscheinsbeweis

Avatar of Mag. Alexander Meixner Mag. Alexander Meixner | 25. Juni 2018 | Recht

Beweislast und Anscheinsbeweis

Einführung

Es gibt Verfahrensarten, bei denen das Gericht von Amts wegen den Sachverhalt zu ermitteln hat, auf Basis dessen dann das Urteil gesprochen wird. So muss im Strafprozess nicht der Angeklagte seine Unschuld beweisen, sondern die Staatsanwaltschaft muss das Gericht von der Schuld des Angeklagten überzeugen und sie damit gewissermaßen beweisen. Auch in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, also beispielsweise in Vormundschafts- oder Nachlassangelegenheiten, ist es überwiegend Aufgabe des Gerichts, den Sachverhalt in eigener Zuständigkeit zu ermitteln.

Demgegenüber gibt es Verfahren wie den Zivilprozess, bei denen die Prozessparteien durch ihren Vortrag entscheiden, welchen Sachverhalt das Gericht seiner Urteilsfindung zugrunde legt und welche Rechtsfragen es zu entscheiden hat. Hier trägt eine der Parteien die Beweislast, d.h., sie hat die Aufgabe, die von ihr aufgestellten Behauptungen, die von der Gegenseite bestritten werden, zu beweisen. Dabei folgt dieser Prozessaufbau in der Regel dem Grundsatz: Jede Partei muss diejenigen Voraussetzungen beweisen, die dazu führen, dass in dem speziellen Fall die für sie günstigen Rechtsvorschriften zur Anwendung kommen. Kann ein beweisbelasteter Kläger seine Behauptung nicht beweisen, dann wird die Klage abgewiesen. Kann ein Beklagter die Behauptungen, die er zu seiner Entlastung vorträgt, nicht beweisen, so wird er verurteilt.

 

Anscheinsbeweis

Für bestimmte Sachverhalte hat die Rechtsprechung eine Beweiserleichterung geschaffen, den so genannten Beweis des ersten Anscheins oder kurz Anscheinsbeweis (prima-facie-Beweis). Liegt ein Sachverhalt vor, der nach der Lebenserfahrung mit größter Wahrscheinlichkeit für einen bestimmten Geschehensablauf spricht, so soll dies einer Prozesspartei, beispielsweise dem Geschädigten, zu Gute kommen. In einem solchen Fall kommt es dann zu einer Verschiebung der Beweislast.

 

OGH: Zum prima-facie-Beweis

Der Anscheinsbeweis ist aber nur dann zulässig, wenn eine typische formelhafte Verknüpfung zwischen der tatsächlich bewiesenen Tatsache und dem gesetzlich geforderten Tatbestandselement besteht. Er darf nicht dazu dienen, Lücken der Beweisführung durch bloße Vermutungen zu füllen. Eine Beweislastumkehr kann also nur dann in Betracht kommen, wenn ein allgemeiner, für jedermann in gleicher Weise bestehender, Beweisnotstand gegeben ist und wenn objektiv typische, also auf allgemein gültige Erfahrungssätze beruhende Geschehnisabläufe für den Anspruchswerber sprechen.

 

Beispiele

Bricht in einem Urlauberhotel eine ansteckende Krankheit aus und eine große Zahl der Urlauber erkrankt, wird in der Regel der Reiseveranstalter von diesen Urlaubern auf Schadenersatz in Anspruch genommen. Trägt nun ein Kläger vor, dass er unter den für diese Erkrankung typischen Symptomen litt oder leidet, der Reiseveranstalter bestreitet aber die Verursachung dieser Erkrankung, dann müsste der Urlauber die Verantwortung des Reiseveranstalters bzw. des Hotels konkret beweisen. Da hier aber eine äußerst hohe Wahrscheinlichkeit vorliegt, dass dieser Urlauber sich dieselbe Erkrankung zugezogen hat wie die anderen Urlauber auch, spricht der Beweis des ersten Anscheins für eine Verantwortung des Hotels und damit des Reiseveranstalters.

Als Folge der Anwendung dieser Beweiserleichterung muss nun der Prozessgegner, also der Reiseveranstalter, darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass ein außergewöhnlicher Sachverhaltsverlauf als Ursache der Erkrankung in Betracht kommen könnte, dass der erkrankte Urlauber beispielsweise mehrfach in einem bestimmten Restaurant außerhalb der Hotelanlage gegessen habe und dass sich in der Vergangenheit dort bereits Urlauber eine Erkrankung zugezogen hätten. In diesem Fall wäre der Anscheinsbeweis erschüttert und es würden wieder die normalen Beweisregeln gelten, d. h., der Urlauber müsste die Verantwortlichkeit des Prozessgegners beweisen.

Häufig wird auch ein immer wieder vorkommendes Geschehnis im Straßenverkehr als Beispiel für die Anwendung des prima-facie-Beweises genannt, nämlich der Auffahrunfall. Bei nahezu allen derartig gelagerten Karambolagen spricht grundsätzlich der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Auffahrende den Verkehrsunfall schuldhaft verursacht hat.

Auch die Alkoholisierung des Lenkers bei Verkehrsunfällen ist häufig Gegenstand des prima-facie-Beweises. Ereignet sich der Unfall auf eine Art, die geradezu typisch für Unfälle ist, die die Folge der Alkoholbeeinträchtigung des Lenkers sind, so ist dem Versicherer vorerst der Anscheinsbeweis gelungen, dass der Unfall seine Ursache nicht in den üblichen Gefahren des Fahrtweges hatte, sondern die Folge der Alkoholisierung des versicherten Lenkers war. Die objektive Beweislast dafür, dass nicht die Alkoholisierung, sondern andere Ursachen den Unfall auslösten, trifft unter diesen Umständen den Versicherten.