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VersVG-Bestimmungen in der Praxis

Avatar of Gerhard Veits Gerhard Veits | 13. Juni 2019 | Recht

VersVG-Bestimmungen in der Praxis

Der Gesetzestext:

(1) Der Versicherungsnehmer kann vom Versicherungsvertrag innerhalb von 14 Tagen, bei Lebensversicherungen innerhalb von 30 Tagen, ohne Angabe von Gründen zurücktreten.

(2) Die Frist für die Ausübung des Rücktrittsrechts beginnt mit dem Tag, an dem der Versicherungsvertrag zustande gekommen ist und der Versicherungsnehmer darüber informiert worden ist, jedoch nicht bevor der Versicherungsnehmer folgende Informationen erhalten hat:

  1.   den Versicherungsschein (§ 3),

  2.   die Versicherungsbedingungen,

  3.   die Bestimmungen über die Festsetzung der Prämie, soweit diese nicht im Antrag bestimmt ist, und über vorgesehene Änderungen der Prämie sowie

  4.   eine Belehrung über das Rücktrittsrecht (Abs. 3).

(3) Die nach Abs. 2 Z 4 zu erteilende Rücktrittsbelehrung muss enthalten:

  1.   Informationen über die Rücktrittsfrist und deren Beginn,

  2.   die Anschrift des Adressaten der Rücktrittserklärung,

  3.   einen Hinweis auf die Regelungen der Abs. 4 bis 6.

Die Rücktrittsbelehrung genügt jedenfalls diesen Anforderungen, wenn das Muster gemäß Anlage A verwendet wird.

(4) Der Rücktritt ist in geschriebener Form gegenüber dem Versicherer zu erklären. § 45 Abs. 1 Z 2 bleibt unberührt. Die Rücktrittsfrist ist gewahrt, wenn die Rücktrittserklärung innerhalb der Frist abgesendet wird.

(5) Das Rücktrittsrecht erlischt spätestens einen Monat nach Zugang des Versicherungsscheins einschließlich einer Belehrung über das Rücktrittsrecht.

(6) Hat der Versicherer vorläufige Deckung gewährt, so gebührt ihm die der Dauer der Deckung entsprechende Prämie.

(7) Die vorstehenden Absätze gelten nicht für Versicherungsverträge über Großrisiken gemäß § 5 Z 34 VAG 2016.

Vorbemerkungen

Das Rücktrittsrecht gemäß § 5c VersVG wurde mit der wesentlichen Besonderheit neu geregelt, wonach dieses nun nicht mehr auf Versicherungsnehmer mit Verbrauchereigenschaft beschränkt ist.

Anwendbarkeit für alle Versicherungsnehmer

Der § 5c (1) gewährt (allen!) Versicherungsnehmern ein Rücktrittsrecht – ohne Angabe von Gründen - innerhalb einer Frist von 14 Tagen (bei Lebensversicherungen innerhalb von 30 Tagen).

Fristbeginn

Der § 5c (2) erläutert den Beginn der Rücktrittsfrist im Detail. Demzufolge beginnt die Frist, innerhalb welcher der VN seinen Rücktritt erklären kann, an dem Tag zu laufen, an dem drei Voraussetzungen (gemeinsam!) erfüllt sind:

■   Zustandekommen des Versicherungsvertrags

■   Der VN wurde über das Zustandekommen des Vertrags in Kenntnis gesetzt

■   Der VN hat folgende Informationen erhalten

   1. den Versicherungsschein (Polizze),

   2. die Versicherungsbedingungen,

   3. die Bestimmungen über die Festsetzung der Prämie, soweit diese nicht im Antrag bestimmt
       ist, und über vorgesehene Änderungen der Prämie sowie

   4. eine Belehrung über das Rücktrittsrecht Üblicherweise erfolgen die Zustellung der Polizze
       gemeinsam mit den AVB sowie der Rücktrittsbelehrung an den VN, womit der VR dieser
       gesetzlichen Anforderung gleichzeitig gerecht wird.

Fristwahrung

Die Frist ist gewahrt, wenn die Rücktrittserklärung innerhalb der Frist versandt wurde. Das heißt, dass die Erklärung nicht schon innerhalb der Frist beim Empfänger eingelangt sein muss.

Rücktrittserklärung vor dem Fristbeginn

Auch wenn dies im „neuen“ Gesetzestext nicht explizit ausgeführt wurde, kann der VN seinen Rücktritt auch im Zeitraum zwischen seiner Antragstellung und dem Erhalt des Versicherungsscheins erklären. In diesem Fall erklärt der VN seinen Rücktritt von seiner Vertragserklärung (von seinem Antrag).

Mindestinhalt der Rücktrittsbelehrung

Der § 5c (3) VersVG legt die Mindestanforderung an die Rücktrittsbelehrung fest, indem die Inhalte bestimmt wurden. Demnach muss diese jedenfalls Informationen über die Rücktrittsfrist und deren Beginn, die Anschrift des Adressaten der Rücktrittserklärung und einen Hinweis auf die Regelungen der Absätze 4 bis 6 enthalten.

Formvorschrift

Der § 5c (4) VersVG gibt vor, dass die Rücktrittserklärung des VN in geschriebener Form (also nicht in Schriftform!) ausreicht. Die „geschriebene Form“ besteht aus einem Text in Schriftzeichen, aus dem die Person des Erklärenden und der Inhalt der Erklärung hervorgehen. Eine Unterschrift oder qualifizierte Signatur ist für diese Form nicht erforderlich. Als Erklärung in geschriebener  Form gilt somit etwa eine Mitteilung auf Papier ohne Unterschrift, eine Erklärung per Fax oder eine Email ohne qualifizierte elektronische Signatur.

Erlöschen des Rücktrittsrechts

In der Bestimmung des § 5c (5) VersVG wurde die bisherige Regelung des § 5c (3) übernommen, wonach das Rücktrittsrecht spätestens einen Monat nach Zugang der Polizze einschließlich der Belehrung über das Rücktrittsrecht erlischt. Aus dem Aufbau dieser Norm lässt sich ableiten, dass das Rücktrittsrecht des VN jedenfalls nach einem Monat ab Zugang von „nur“ dem Versicherungsschein einschließlich einer Belehrung über das Rücktrittsrecht erlischt.

Prämienanspruch für eine vorläufige Deckung

Gemäß § 5c (6) VersVG hat der VR Anspruch auf eine (für die Dauer entsprechende) Prämie, sollte er eine vorläufige Deckung gewährt haben. Auch diese Regelung wurde unverändert von der bisher gültigen Fassung des § 5c (1) 2. Satz übernommen.
Für die kapitalbildende Lebensversicherung wurde hingegen mit § 176 (1a) VersVG eine eigene „lex specialis“ eingeführt. Eine lex specialis ist ein spezielles Gesetz, das dem allgemeinen Gesetz (lex generalis) vorgeht.

Somit gilt für die kapitalbildende Lebensversicherung:

§ 176 (1a) VersVG Sind nicht alle Voraussetzungen für den Beginn der Rücktrittsfrist gemäß § 5c Abs. 2 erfüllt, so gebührt dem Versicherungsnehmer bei einem Rücktritt von einer Kapitalversicherung

■   innerhalb eines Jahres nach Vertragsabschluss die für das erste Jahr gezahlten Prämien;

■   ab dem zweiten bis zum Ablauf des fünften Jahres nach Vertragsabschluss der Rückkaufswert ohne Berücksichtigung der tariflichen Abschlusskosten und des Abzugs gemäß § 176 Abs. 4. Trägt der Versicherungsnehmer das Veranlagungsrisiko, so kann der Versicherer allfällige bis zum Rücktritt eingetretene Veranlagungsverluste berücksichtigen.

Keine Anwendbarkeit bei Großrisiken:

Der § 5c (7) schließt die Anwendbarkeit dieses Rücktrittsrechtes für Versicherungsverträge über Großrisiken gemäß § 5 Z 34 VAG 2016 aus.

Diese Großrisiken sind im VAG wie folgt beschrieben:

a) Transport- und Transporthaftpflichtrisiken nach Z 4 bis 7, 11 und 12 der Anlage A;

b) Kredit- und Kautionsrisiken nach Z 14 und 15 der Anlage A, wenn der Versicherungsnehmer eine Erwerbstätigkeit im industriellen oder gewerblichen Sektor oder eine freiberufliche Tätigkeit ausübt und das Risiko damit im Zusammenhang steht;

c) Risiken nach Z 3, 8, 9, 10, 13 und 16 der Anlage A, sofern der Versicherungsnehmer bei mindestens zwei der folgenden Kriterien die Obergrenze überschreitet:

aa)  6,2 Millionen Euro Bilanzsumme;

bb)  12,8 Millionen Euro Nettoumsatz;

cc)  eine durchschnittliche Arbeitnehmerzahl von 250 Arbeitnehmern während eines Geschäftsjahres.

Gehört der Versicherungsnehmer zu einer Unternehmensgruppe, für die der konsolidierte Abschluss nach Maßgabe der Richtlinie 2013/34/EU erstellt wird, so werden die in lit. c genannten Kriterien auf den konsolidierten Abschluss angewandt.