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Produkterpressungen - eine verschwiegene Kriminalitätsform

Avatar of _cli_crawler _cli_crawler | 30. Mai 2023 | Recht

 

„sehr geehrte damen und herren – hiermit möchten wir ihnen mitteilen, dass wir eines ihrer produkte mit rattengift versetzen werden, wenn sie nicht ihre bereitschaft zur zahlung von 100.000 €
signalisieren. Das gleiche gilt wenn sie die polizei über dieses schreiben informieren..“
(Anonymisierter Originaltext eines zugestellten Briefes an ein lebensmittelherstellendes Unternehmen)

Nicht immer werden Produkterpressungen per Brief, Mail oder durch Ablage übermittelt. Es kommt vor, dass ein Produkt als Druckmittel vorab vorsätzlich kontaminiert und anschließend an das jeweilige Unternehmen zugestellt wird. Ebenso werden Videos versendet, wie und womit genau der Erpresser das entsprechende Produkt kontaminieren wird.

Wie soll auf zugestellte Briefe, Mails, Videos, Produkte reagiert werden? Polizei einschalten? Welche Behörde ist zuständig – AGES (Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit), Landeskriminalamt, Bundeskriminalamt,…? Soll das Schreiben wie gefordert beantwortet, verhandelt oder bezahlt werden? Was, wenn sich der Täter an die Medien wendet? Besteht eine Versicherung? Hinzu kommen Interessenskonflikte zwischen den Entscheidungsträgern: die Polizei will den Täter überführen – das Unternehmen will finanziellen Schaden vermeiden. Krisenmanagement pur!
Viele Fragen, die sich stellen, ist man auf eine Produkterpressung nicht entsprechend vorbereitet. Wesentlich bei Produkterpressungen ist die individuelle Betrachtung und Analyse. Schubladendenken ist hier nicht gefragt! Werden von Beginn an die richtigen Entscheidungen getroffen, besteht eine hohe Chance die Produkterpressung in den Griff zu bekommen. Im strategischen Umgang mit einer Produkterpressung macht es einen gravierenden Unterschied, ob sich die Erpressung gegen die Lebensmittelbranche oder gegen Unternehmen richtet, die Produkte herstellen, vertreiben oder fertigen. In der Vergangenheit wurde darauf hingearbeitet, den Täter zu einer Lösegeldübergabe zu bewegen, da die Chancen sehr hoch waren, den Erpresser bei der Übergabe zu verhaften. Dies ist im Zeitalter von Kryptowährungen fast unmöglich, da alle Lösegeldsummen fast ausschließlich in Bitcoin & Co. gefordert werden.

Verlässliche Zahlen von Produkterpressungen zu erhalten ist nahezu unmöglich. Wird ein Unternehmen mit der Kontamination von Produkten erpresst, fällt dies in den DACH-Staaten unter den Straftatbestand der Erpressung. Dies ist auch der Grund, weshalb von den Behörden keine validen Fälle aufgelistet werden können. Der wesentliche Faktor ist allerdings die Dunkelziffer. In den DACH Regionen gehen Experten von bis zu 500 Produkterpressungen pro Jahr aus. Der Grund für die Dunkelziffer liegt auf der Hand: viele Unternehmen fürchten einen erheblichen wirtschaftlichen Verlust bis hin zum Ruin, meist verursacht durch die mediale Darstellung in Verbindung mit der Reputation der Marke und dem Vertrauensverlust der Konsumenten – egal ob verschuldet oder nicht. Beispielhaft ist der Vorfall eines Champagner-Herstellers aus dem Jahr 2022, bei welchem Ecstasy (MDMA) in flüssiger Form zu einem Todesfall und mehreren Schwerverletzen geführt hat. Dabei handelte es sich nicht um ein Qualitätsproblem, sondern um einen Kriminalfall. Egal ob Drogenschmuggel oder Produkterpressung - erlangen Medien davon Kenntnis oder werden Konsumenten geschädigt, wird die Reputation in Verbindung mit der Existenz eines Unternehmens stark gefährdet. Krisenkommunikation pur!

Soweit es sich um Produkterpressungen handelt, ist spezifisches Handeln erforderlich. Kommen Konsumenten zu Schaden oder wird eine manipulierte Ware entdeckt, wird natürlich zuerst das betroffene Unternehmen in den Focus rücken und ist verantwortlich einen Produktrückruf einzuleiten, den Behörden Auskunft zu erteilen, die Konsumenten zu informieren, soziale Medien zu bedienen und noch vieles mehr. So stellt die Rückrufaktion, einschließlich flankierender Maßnahmen, das letzte Glied von möglichen Präventivmaßnahmen dar, um in komplexen Abläufen den Konsumenten wie auch das Unternehmen vor Schäden zu bewahren.

Grundsätzlich können alle Produkte manipuliert oder sabotiert werden. Hauptsächlich kommen zwei verschiedene Arten der Manipulation in Frage:
■    zum einen durch eine Sabotagehandlung vor Ort, d.h. im Supermarkt, Lebensmittelhandel, im Unternehmen selbst, etc.
oder
■    das Produkt wurde auf herkömmliche Weise käuflich erworben, manipuliert bzw. kontaminiert und anschließend mittels ladendiebstahlsähnlicher Fähigkeiten wieder zurück zum Verkauf gelegt.

Wie geht man also mit einer solchen Kriminalitätsform um? Eine Produkterpressung darf auf keinen Fall ignoriert werden! Eine entscheidende Frage zu Beginn der Erpressung lautet, ob man das Schreiben / Mail etc.  beantwortet oder mit dem Täter nicht kommuniziert. Wird nicht kommuniziert besteht statistisch betrachtet eine hohe Abbruchquote, da der Täter verunsichert wird und aufgibt. Häufig werden von einem Täter mehrere Unternehmen gleichzeitig erpresst und dieser sich dann auf jenes Unternehmen konzentriert, das geantwortet hat. Dagegen spricht, dass eine Nicht - Kommunikation zu einer Provokation und anschließender Überreaktion beim Täter führen kann.
Klassische Reaktionen sind hier die Einschaltung der (sozialen-) Medien, Versendung oder Platzierung eines kontaminierten Produktes oder die Erhöhung einer Forderung. Kommuniziert man hingegen mit dem Täter, führt dies zu einem höheren Informationsfluss, bessere Risikoeinschätzung und die Möglichkeiten zur Ermittlung oder Aufgabe des Täters steigen.
Es wird bewusst darauf verzichtet, hier einsatztaktische und strategische Maßnahmen darzustellen, da Täter durch geschickte Entscheidungen auch in die Falle tappen. Unterschiedliche Täter samt Motiven erfordern individuelle Entscheidungen. Handelt es sich um „Profis“, Trittbrettfahrer, Innentäter oder nur um verzweifelte Täter, die versuchen auf schnellen Wegen einfach zu Geld zu kommen?!
Prävention und Erfahrungswerte im Umgang mit Produkterpressungen ist wie so oft der Schlüssel zum Erfolg. Besteht ein Krisenmanagement, ist der Krisenstab eines Unternehmens eingespielt und wurden derartige Szenarien durchgespielt bzw. trainiert, gibt dies zusätzlich Selbstsicherheit und das Risiko von Fehlentscheidungen wird minimiert. Adäquate Versicherungen bieten hier neben dem finanziellen Ausgleich auch noch präventive und reaktive Möglichkeiten durch erfahrene Krisenberater.