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Echte Mehrfachagenten haften wie Versicherungsmakler

Avatar of Mag. Markus Freilinger Mag. Markus Freilinger | 27. Oktober 2022 | Recht

OGH-Entscheidung vom 29.06.2022, 7 Ob 74/22s

 

 

Der Kläger beabsichtigte im Jahr 2016 umzuziehen. Er wandte sich daher an seine Hausbank (die beklagte Partei), welche ihm als Versicherungsagent auch seine bisherige Haushaltsversicherung vermittelt hatte. Er teilte mit, er wolle seine Haushaltsversicherung auf die neue Wohnung „umschreiben“. Ein Mitarbeiter der beklagten Versicherung teilte dem Kläger mit, dass dies nicht möglich sei, sondern eine Anpassung an die geänderte Wohnungsgröße erfolgen müsse.

 

Die Unterinstanzen stellten fest, dass der Kläger der beklagten Partei mitgeteilt hatte, dass aufgrund der äußerst einfach eingerichteten Wohnung wie bisher eine Versicherungssumme von EUR 20.000,00, auch unter Berücksichtigung der größeren Fläche der neuen Wohnung, ausreichend und ihm eine günstige Prämie wichtig sei.

 

Die beklagte Bank übermittelte dem Kläger daraufhin zwei Angebote für Haushaltsversicherungen. Das Angebot der H*-Versicherung enthielt eine Versicherungssumme von EUR 50.400,00 und den Hinweis, dass der Versicherer auf den Einwand der Unterversicherung verzichtet, wenn die Unterversicherung 20 % des tatsächlichen Versicherungswerts nicht übersteigt. Ferner erhielt er ein Angebot der O*-Versicherung beinhaltend eine Versicherungssumme von EUR 73.440,00 mit vollständigem Unterversicherungsverzicht mit einer höheren Prämie als das erstgenannte Angebot. Der Kläger entschied sich für das erstgenannte Angebot.

 

In der Folge kam es zu einem Einbruch in die Wohnung des Klägers, bei welchem zahlreiche Gegenstände gestohlen bzw. beschädigt wurden.

Die Versicherungssumme reichte bei weitem nicht aus. Die Unterversicherung überschritt 20 % des tatsächlichen Versicherungswerts. Der Versicherer nahm eine erhebliche Kürzung wegen Unterversicherung vor.

 

1. Frage: Der OGH hatte zu entscheiden, ob die vermittelnde Bank des Klägers als Versicherungsmakler oder lediglich als Agent haftet; die Bank war als echte Mehrfachagentin eingeschritten, d.h. hatte dem Kunden innerhalb einer Versicherungssparte Angebote mehrerer Versicherer unterbreitet. Diesbezüglich ist vorauszuschicken, dass die Vermittlung der gegenständlichen Haushaltsversicherung und damit die behauptete Fehlberatung im Jahr 2016, also vor Inkrafttreten des Versicherungsvertriebsrechts-Änderungsgesetzes 2018, also vor Umsetzung der Regelungen der IDD in österreichisches Recht, stattfand. Der Oberste Gerichtshof hatte zwar in der Entscheidung zu 7 Ob 92/15b bereits grundsätzlich über die Möglichkeit entschieden, dass echte Mehrfachagenten wie Versicherungsmakler zu haften haben, in dem dort zu entscheidenden Sachverhalt hatte er dies allerdings konkret noch offengelassen und lediglich einen Aufhebungsbeschluss gefasst.

 

In der jetzt vorliegenden Entscheidung hat er folgendes klargestellt:

„3.2. Ein Mehrfachagent, der seinem Kunden gegenüber innerhalb einer Versicherungssparte mehrere Versicherer ins Spiel bringt, missachtet nach der dazu ergangenen Rechtsprechung das Trennungsgebot und steht nicht mehr eindeutig auf der Seite der Versicherungsunternehmen.

Wenn daher der Versicherungskunde beim Mehrfachagenten nicht nur materiellen Rat in Bezug auf Versicherungsschutz bei einem bestimmten, für den Kunden von vorhinein feststehenden Versicherer sucht, sondern dem Mehrfachagenten auch die Auswahl des Versicherers überlässt, ist der Agent Versicherungsmakler (7 Ob 92/15b mwN; kritisch Kath in Fenyves/Perner/Riedler § 43 VersVG Rz 46). Da die Beklagte dem Kläger im vorliegenden Fall Haushaltsversicherungen von zwei unterschiedlichen Versicherern anbot, war sie somit im Sinn dieser Judikatur Versicherungsmaklerin.“

 

Klargestellt ist damit nicht nur die Frage, dass echte Mehrfachagenten wie Versicherungsmakler haften, sondern, dass diese auch passiv legitimiert sind, also direkt vom geschädigten Kunden geklagt werden können.

 

2. Frage: Ist dem Vermittler auf Basis des von den Unterinstanzen festgestellten Sachverhalts ein Fehlverhalten vorzuwerfen?

Von den Unterinstanzen wurde festgestellt, dass der Kläger ausdrücklich mitgeteilt hatte, eine Versicherungssumme von
EUR 20.000,00 sei ausreichend.

Festgestellt wurde darüber hinaus, dass im ursprünglichen Versicherungsvertrag, welcher für die erste Wohnung des Klägers abgeschlossen worden war, ein gänzlicher Unterversicherungsverzicht enthalten war und auch das alternative Angebot für die neue Wohnung bei der O*-Versicherung einen vollständigen Unterversicherungsverzicht enthielt. Der Kläger wurde auf diese Unterschiede von der vermittelnden Bank unstrittig nicht aufmerksam gemacht.

 

Ungeachtet dessen, hielt der Oberste Gerichtshof die Entscheidungen der Unterinstanzen nicht für korrekturbedürftig. Es sei zwar Hauptaufgabe eines Versicherungsmaklers als Fachmann auf dem Gebiet des Versicherungswesens, den Klienten mit Hilfe seiner Kenntnisse und Erfahrung bestmöglichen, den jeweiligen Bedürfnissen und Notwendigkeiten entsprechenden Versicherungsschutz zu verschaffen. Der Makler hafte als Sachverständiger im Sinne des § 1299 ABGB, müsse einschlägige Probleme erkennen und dazu richtige Auskünfte erteilen. Die Beurteilung einer Pflichtverletzung sei jeweils im Einzelfall unter Berücksichtigung der vom Makler erkennbaren Interessen des Auftraggebers vorzunehmen. Erhalte der Versicherungsmakler von seinem Kunden Informationen, so sei er grundsätzlich nicht zu weiteren Nachforschungen verpflichtet, wenn es für ihn keine Gründe gebe, an der Richtigkeit und der Vollständigkeit der Informationen zu zweifeln.

 

Es habe auf Basis der festgestellten Umstände für die beklagte Bank keinerlei Hinweise gegeben, dass die Informationen des Klägers (gemeint über die erforderliche Versicherungssumme) unrichtig oder unvollständig gewesen wären oder der im neuen Vertrag enthaltene eingeschränkte Verzicht auf den Einwand der Unterversicherung, den Interessen des Klägers zuwiderlaufen würde, zumal die Versicherungssumme des vermittelten Vertrages rund das 3-fache dessen betrug, was der Kläger gegenüber der Beklagten als ausreichende Versicherungssumme angegeben hatte.

 

Womit sich der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung nicht beschäftigt hat, ist der Umstand, dass die von den Unterinstanzen festgestellten Angaben des Klägers über die Höhe der Versicherungssumme im Beratungsprotokoll nicht enthalten waren.

 

Diese Entscheidung ist, wie der Oberste Gerichtshof ausführt, als Einzelfallentscheidung zu verstehen. Die grundsätzlich bestehenden erheblichen Anforderungen an die Beratungspflichten des Versicherungsmaklers und dessen Haftung werden dadurch nicht relativiert.