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VersVG-Bestimmungen in der Praxis § 34 VersVG (Auskunftspflicht des Versicherungsnehmers)

Avatar of Gerhard Veits Gerhard Veits | 15. März 2021 | Recht

§ 34 VersVG (Auskunftspflicht des Versicherungsnehmers)

(1) Der Versicherer kann nach dem Eintritt des Versicherungsfalles verlangen, daß der Versicherungsnehmer jede Auskunft erteilt, die zur Feststellung des Versicherungsfalles oder des Umfanges der Leistungspflicht des Versicherers erforderlich ist.

(2) Belege kann der Versicherer insoweit fordern, als die Beschaffung dem Versicherungsnehmer billigerweise zugemutet werden kann.


Vorbemerkungen
Gemäß § 33 VersVG hat der VN den ihm bekannten Versicherungsfall anzuzeigen. In der Folge darf der VN abwarten, ob bzw. welche Auskünfte der VR einholt. Auch wenn es naheliegend erscheint, dass stets der VR jene Informationen einholt, die er für die Beurteilung des Versicherungsfalls für erforderlich hält, so besteht im Einzelfall dennoch eine spontane Auskunftspflicht des VN. So sehen etwa die AVB zur Rechtsschutzversicherung vor (Obliegenheit), dass der VN verpflichtet ist, den VR unverzüglich, vollständig und wahrheitsgemäß über die jeweilige Sachlage aufzuklären. Damit wird deutlich, dass die Bestimmungen der §§ 33 und 34 VersVG fließend verläuft und im Einzelfall bereits eine inhaltlich umfangreichere Anzeige des Versicherungsfalls erforderlich sein kann. Eine spontane Auskunftspflicht des VN besteht  beispielsweise jedenfalls dann, wenn der angezeigte Schaden bereits durch einen anderen VR erfolgte.

Umfang der Auskunftspflicht
Aus dem Gesetzestext ist zu entnehmen, dass der VR jede Auskunft verlangen kann, die zur Feststellung des Versicherungsfalls oder des Umfangs der Leistungspflicht erforderlich ist. Im Zweifelsfall liegt es aber beim VR zu beweisen, dass die aus seiner subjektiven Sicht geforderte Auskunft letztlich objektiv erforderlich ist. Eine vertraglich vereinbarte Aufklärungspflicht (AVB) besteht immer schon dann, wenn die geforderte Aufklärung nicht von vornherein zweckwidrig erscheint. Unstrittig als erforderlich gelten etwa Auskünfte, die der VR zu Tatsachen und Rechtsverhältnissen (z.B. Eigentumsfrage) oder auch zur Beurteilung von Sachverhalten (z.B. Klärung der Schuldfrage, Alkoholeinfluss, Vorschäden, Höhe der vereinbarten Taxe, etc.) einholt. Der VR darf sich auch nach Umständen informieren, die sich auf eine mögliche, absichtliche Herbeiführung oder Fingierung des Versicherungsfalls, bis hin zur Einschätzung der Betrugswahrscheinlichkeit, beziehen. Selbstverständlich zulässig wäre die Abklärung bestehender Mehrfachversicherungen. Auch Informationen, die sich der VR ohne Schwierigkeit anderswo beschaffen könnte, muss der VN liefern, wenn er dazu aufgefordert wird. Das Auskunftsverlangen des VR muss aber im Einzelfall für den VN zumutbar sein. Sollte der VN nachträglich Kenntnis von Umständen erlangen, die von den, dem VR gegenüber gemachten Auskünften abweichen, so hat er die Pflicht, die nichtangezeigten Umstände umgehend und unaufgefordert nachzumelden bzw. eine Korrektur oder Vervollständigung seiner Angaben vorzunehmen. Vollständig sind die Auskünfte, wenn sämtliche bekannte Umstände offengelegt werden, die der VN als von der Auskunftspflicht erfasst angesehen hat oder die ein durchschnittlicher VN als von der Auskunftspflicht erfasst ansehen musste.

Richtigkeit der Auskunft des VN
Eine Mitteilung des VN über Tatsachen gilt schon dann als richtig, wenn diese dem subjektiven Kenntnisstand des VN im Zeitpunkt der Auskunftserteilung entspricht. Von einem redlichen VN darf erwartet werden, dass er bei seinen Auskünften zum Versicherungsfall von Anfang an darauf hinweist, wenn Unsicherheiten bestehen. Das gleiche gilt, wenn es Erinnerungslücken gibt, die eine exakte Schilderung verunmöglichen.

Eine billigende Inkaufnahme von Unrichtigkeiten stellt eine Verletzung der Auskunftspflicht dar. Dass eine wissentlich unrichtige Darstellung eines Tathergangs als Auskunftsverletzung gilt, versteht sich von selbst. Auch widersprüchliche Angaben des VN können im Einzelfall eine Auskunftspflichtverletzung darstellen. In erster Linie geht es hier stets um bewusste Abweichungen von der Wahrheit, die den VR leistungsfrei machen könnten, während ganz unwesentliche Abweichungen in der Regel ohne Konsequenz bleiben. Hat der VN Fragen anhand eines Fragebogens des VR zu beantworten und setzt er in einem Antwortfeld einen Quer- oder Schrägstrich, so stellt das keine Verweigerung der Auskunft, sondern eine verneinende Antwort dar. Erkennt der VN anhand der Fragestellung, dass dem VR im Zuge seiner Ermittlung des Sachverhalts ein Irrtum unterlaufen ist, hat er ihn darauf aufmerksam zu machen. Entscheidend für die Beurteilung ob die Auskunftspflicht verletzt wurde, sind grundsätzlich die Angaben, die der VN gegenüber dem VR macht. Etwaige davon abweichende Angaben gegenüber der Polizei, Behörde oder sonstigen Dritten schaden dem VN nicht, wenn er den VR rechtzeitig und richtig informiert hat.

Pflicht zur Ausfolgung von Belegen
Bei „Belegen“ im Sinne des  § 34 (2) VersVG handelt es sich um Dokumente über Umstände, die zur Feststellung des Versicherungsfalls oder des Umfangs der Leistungspflicht des VR erforderlich sind. Dazu gehören etwa Urkunden über Eigentumsverhältnisse, Bilanzen, Verträge, Geschäftsbücher ebenso wie Rechnungen, Quittungen oder ärztliche Atteste. Der VR kann auch verlangen, dass derartige Belege, die unmittelbar vorhanden sind, vom VN beschafft werden, sofern eine solche Beschaffung möglich und billigerweise zumutbar ist. Die Vorlage von Belegen, die sich in der Verfügungsgewalt des VN befinden, ist regelmäßig zumutbar. Eine Unzumutbarkeit könnte im Einzelfall vorliegen, wenn der Zeit- und Kostenaufwand für die Beschaffung der Belege in keinem wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis zum gewünschten Nutzen steht.

Der VN kann sich aber nicht dadurch von der Belegpflicht (wegen Unzumutbarkeit) entbinden, weil er z.B. zur Geheimhaltung verpflichtet sei, da der VR selbst ebenfalls zur Geheimhaltung verpflichtet ist. Unzumutbar wäre aber eine Beschaffung von Belegen, wenn ein Dritter nicht zu deren Herausgabe bereit ist. Eine Verpflichtung des VN, bereits vor einem Verlangen des VR (oder sogar vor Eintritt des Versicherungsfalls)  Belege zu sammeln oder zu beschaffen, besteht nicht. Hingegen darf von einem Kaufmann natürlich erwartet werden, dass er sich an seine Beleg-Aufbewahrungspflichten etwa iZm seiner Buchhaltung hält.

Leistungsfreiheit des Versicherers bei Verletzung der Auskunftspflicht

Voraussetzung für den Verlust des Versicherungsschutzes ist prinzipiell vorerst nur der Nachweis durch den VR, dass der VN eine Obliegenheitsverletzung verschuldet hat. Eine Leistungsfreiheit des VR wegen Verletzung der Auskunftspflicht setzt aber zumindest grob fahrlässiges Verschulden des VN voraus. Stützt sich der VN auf die Annahme, er hätte darauf vertraut, einen bestimmten Umstand nicht anzeigen zu müssen, weil er diesen (bewiesenermaßen!) schon beim Vertragsabschluss angezeigt hat, so wird man ihm wohl nur leichte Fahrlässigkeit vorwerfen können, womit die Obliegenheitsverletzung ohne Konsequenzen bleibt (§ 6 (3) VersVG). Gleiches ist zu vermuten, wenn der VN einen Vorschaden verschweigt, den der gleiche VR erst kurz davor abgewickelt hat. Abgesehen davon wird der VN auch mit der Erbringung des Kausalitätsgegenbeweises geschützt. Macht hingegen der VN aber im Zuge der Antragstellung zwar korrekte, jedoch bei der Auskunft zur Schadenabwicklung unrichtige Angaben - verbunden mit einer Täuschungs- oder Verschleierungsabsicht - so kann er sich auf einen Kausalitätsgegenbeweis nicht mehr stützen. Grundsätzlich kann sich der VN auch nicht erfolgreich darauf berufen, der VR hätte die Unrichtigkeit seiner Auskünfte leicht durchschauen können.

Schadenersatzanspruch des Versicherers bei Verletzung der Auskunftspflicht
Die Verletzung der Auskunfts- und Belegpflicht kann – unabhängig von einer möglichen Leistungsfreiheit – auch Schadenersatzansprüche (§1298 ABGB) des VR begründen!
Das wäre etwa denkbar für Mehraufwendungen, die dem VR bei seinen Ermittlungen zum Versicherungsfall entstehen, weil der VR falsche Angaben gemacht hat oder Tatsachen verschwiegen hat. Dem VR obliegt es, den eingetretenen Schaden, die Kausalität und die Rechtwidrigkeit zu beweisen.