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Risikobewertung-Haftungsfalle

Avatar of Dr. Michael Buser Dr. Michael Buser | 26. September 2017 | Recht

Risikobewertung-Haftungsfalle

Spätestens seit der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise im Jahr 2007 hat das Interesse an der Analyse und der Bewertung von Risikofaktoren und damit die Suche nach Werkzeugen zu deren Identifikation und Messung stark zugenommen. War das Thema früher vor allem in besonders stark störfallgeneigten Branchen immanent (wie etwa in der Chemieindustrie oder Luftfahrt), ist es heute in allen großen Unternehmen ein Muss. Ziel jeder Risikobewertung ist es, maßgebliche Informationen für einen risikogerechten  Umgang mit Gefahren zu liefern, um so einerseits die Unternehmensziele zu erreichen und anderseits die finanziellen Mittel für Schadenverhütung optimal einzusetzen. Doch welche Bedeutung hat die Risikoanalyse für einen Makler und welche Pflichten gehen damit für ihn einher?

Erst die Definition und Anwendung objektiver Beurteilungsmaßstäbe ermöglichen eine quantitative Beurteilung. Die resultierenden Informationen bilden häufig die Grundlage für betriebswirtschaftliche oder strategische Unternehmensentscheidungen.

Im versicherungstechnischen Umfeld liefert eine systematische Risikoanalyse in Verbindung mit einer qualifizierten Risikobewertung die wesentlichsten Informationen zum Risikoprofil, um im Rahmen des Risikomanagements adäquat auf Gefahren vorbereitet zu sein bzw. zu reagieren. Auch der Einsatz monetärer Ressourcen wird so optimiert und effektiv. Das dient der gezielten Ermittlung des erforderlichen Deckungsumfangs und der Prämiengestaltung des geeigneten Versicherungsprodukts. Hierdurch kann der Versicherer seine Zeichnungskapazität optimal einsetzen und damit dem Versicherungsnehmer einen risiko-adäquaten Versicherungsschutz zu bestmöglichen Konditionen anbieten.

Die Durchführung einer Risiko- und Gefahrenanalyse ermöglicht bereits zu einem frühen Zeitpunkt das Erkennen von Risiken und Gefahrenquellen. Damit unterstützt sie bei der Vermeidung und Verminderung von Schäden, bzw. deren Auswirkungen und Folgen. Die methodische Grundlage bildet ein vierstufiger Kreislaufprozess:

  • Identifizierung und Erfassung: Die methodische Analyse von risikorelevanten Informationen erfordert die systematische Identifizierung und Erfassung aller Einflussfaktoren in ihrer Ursache und Wirkung.
  • Analyse und Bewertung: Bei der Analyse und Bewertung geht es um die Quantifizierung von Gefahren und Auswirkungen gegenüber Maßnahmen zum Schutz und zur Prävention.
  • Maßnahmen und Umsetzung: Im Sinne einer nachhaltigen Risikoverbesserung ist es erforderlich, wirksame Maßnahmen zu definieren und diese konsequent umzusetzen.
  • Überwachung und Kontrolle: Die regelmäßige und wiederkehrende Überwachung der Umsetzung von Maßnahmen sowie die Kontrolle deren Einhaltung bilden einen „unbequemen“ aber notwendigen Baustein um eine nachhaltige Risikoverbesserung dauerhaft zu gewährleisten.

Bewertungsansatz

Häufig gestaltet sich die Risikolandschaft eines Unternehmens sehr umfangreich und je nach Vielfalt bzw. Tiefe kann sich eine Risikoanalyse daher sehr aufwändig gestalten. Gerade im Zusammenhang mit dem Risikotransfer durch Versicherungslösungen, als Möglichkeit der Risikobewältigung, stellt sich vor dem Hintergrund möglicher Haftungen die Frage: welche Anforderungen sind an eine vom Versicherungsmakler zu erstellende oder erstellte Risikoanalyse zu richten?

Gemäß den von der Wirtschaftskammer empfohlenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Versicherungsmakler ist eine angemessene Risikoanalyse, die eine eingehende Untersuchung und Bewertung der den Auftraggeber bedrohenden Gefahren umfasst, zu erstellen, wobei insbesondere alle existenzbedrohenden Risiken berücksichtigt werden. Es muss also nicht nur ein breiter Gefahrenkatalog berücksichtigt werden, sondern es ist hinsichtlich existenzbedrohender Risiken auch ganz wesentlich ein „Top Down“ Ansatz zu verfolgen.

Damit folgen die genannten Allgemeinen Geschäftsbedingungen auch den Vorgaben des § 28, Pkt. 1 des Maklergesetzes i.d.g.F. zu den Pflichten des Versicherungsmaklers (gehört) u.a. die Erstellung einer angemessenen Risikoanalyse und eines angemessenen Deckungskonzeptes sowie Erfüllung der Dokumentationspflicht gemäß § 137g GewO 1994.

Wurde eine „allgemeine“ Risikoanalyse beauftragt, ist dem Versicherungsmakler automatisch eine „Pflicht zum Tätig werden“ auferlegt. In diesem Fall bedeutet es, dass nicht nur umfassend nach zu versichernden Risiken gefragt werden sollte, sondern auch auf Deckungslücken, womit letztlich auch auf typischerweise nicht versicherbare Risiken, hinzuweisen ist.

Soweit dabei vom Versicherungsnehmer gebilligte Deckungslücken betroffen sind, müssen auch die allfälligen Konsequenzen solcher Deckungslücken aufgezeigt werden. Nur damit wird die Warnpflicht auch entsprechend wahrgenommen.

Nun kann man von einem Versicherungsmakler allerdings nicht die umfassende Kenntnis aller technischen Gefahren und Zusammenhänge erwarten, ebenso wenig wie umfassende rechtliche oder gar medizinische Kenntnisse. Dies erlaubt ihm allerdings nicht, auf eine entsprechend strukturierte Risikoanalyse verzichten zu können, sondern bedeutet lediglich, dass die maßgeblichen Risiken gemeinsam mit dem Versicherungsnehmer in dessen Eigenschaft als Risikoeigner bzw. mit seiner Unterstützung zu analysieren und zu bewerten sind. Voraussetzung ist allerdings, dass der Versicherungsnehmer die dafür nötigen Anforderungen auch entsprechend erfüllen kann.

Um auf der sicheren Seite zu sein, ist es ratsam, externe Sachverständige beizuziehen. Unter Umständen ist es dem Versicherungsmakler aus Geheimhaltungsgründen selbst verwehrt, das Betriebshaftpflichtrisiko bestimmter Produktionsprozesse einzuschätzen oder zu überprüfen.

Behauptete oder tatsächliche Versäumnisse und Mängel in der Risikoanalyse und der zugehörigen Dokumentation führen spätestens dann zur Haftung bzw. zu Schadenersatzansprüchen, wenn dem Kunden eben dadurch ein Schaden entsteht. Etwa wenn sich im Schadenfall herausstellt, dass ein an sich versicherbares Risiko nicht erkannt und daher nicht in Deckung genommen oder ausreichend versichert wurde.

Es mag viele Gründe für derartige Szenarien geben, allerdings liegt die Beweispflicht für die Erfüllung der sich aus dem Maklergesetz ergebenden Berufspflichten beim Versicherungsmakler. Gerade dieser Umstand unterstreicht die Notwendigkeit, den Auftragsumfang klar zu dokumentieren, den Warnpflichten auch schriftlich nach zu kommen, die Risikoanalyse strukturiert aufzubauen, existenzbedrohende Risiken herauszuarbeiten und die Ergebnisse der Analyse mit dem Kunden abzustimmen.

Idealerweise sollten für eine solche Risikoanalyse bewährte Tools zum Einsatz kommen bzw. abgearbeitet werden. Alle relevanten Fragen und Ergebnisse müssen selbstverständlich auch in eine geeignete Dokumentation einfließen.

Für die Bewertung von Risiken ist eine Bandbreite von Tools verfügbar, die mit zum Teil wissenschaftlichen Ansätzen und mehrdimensional mathematischen Methoden Lösungen für die Minimierung von Risikofaktoren anbieten. Auf der anderen Seite sind zahlreiche Tools im Einsatz, deren Methodik sich im Sinne von Fragebögen und Checklisten vordergründig auf die reine Datenerhebung beschränkt. Hierbei ist es häufig dem Anwender selbst überlassen, die erfassten Daten zu analysieren und zu interpretieren, bzw. die daraus gezogenen Schlussfolgerungen (insbesondere den Handlungsbedarf) zu definieren. (Top-Down vs. Bottom-Up). Ein gutes Beispiel für ein gelungenes Tool zur Datenerhebung bietet hier die Risk Matrix der Firma Risk Experts.

Der Anspruch auf Datenqualität und Informationsumfang erfordert im Hinblick auf die angewandten Methoden (und eingesetzten Ressourcen) nicht immer einen wissenschaftlichen Ansatz.

Auf der anderen Seite verlangt der Einsatz eines Tools als Mindestvoraussetzung die Anwendung einer analytischen Methodik.

Empfehlenswert ist eine Risikoprüfung durch externe Sachverständige, da diese im Umgang mit den richtigen Tools geschult sind und mit ihrer Expertise und ihrer Erfahrung im Falle eines Falles vor unerwünschten Haftungs- bzw. Schadensersatzansprüchen schützen.