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Kein Sommer ohne Mücken – die Grundfähigkeits- versicherung

Avatar of ÖVM ÖVM | 14. Juni 2023 | Wirtschaft & Steuern

 

„Fortuna lächelt, doch sie mag nur ungern voll beglücken. Schenkt sie uns einen Sommertag, so schenkt sie uns auch Mücken.“
(Wilhelm Busch)

In der Berufsunfähigkeitsversicherung sind es die Gesundheitsfragen, die als zu teuer empfundene Prämie, das Freizeitverhalten, der falsche Beruf oder aber Vorerkrankungen – die oft zu keinem zufriedenstellenden Abschluss führen. In der Grundfähigkeitsversicherung sind es die Ausschnitts Deckungen, die oft nicht den gewünschten Absicherungseffekt erzielen. Beide haben Licht und Schatten – es gibt eben keinen Sommer ohne Mücken.

So ist es. Kein Sommer ohne Mücken! Kein Winter ohne Glatteis. Wir sind fast am Ende unserer Reise durch die wundersame Welt der Berufsunfähigkeit angekommen und es ist Zeit, ein kleines Resümee zu ziehen.

Vor 3 Jahren haben wir begonnen einen geschärften Blick auf den Bereich der Biometrie zu legen. Ziel war und ist es, nicht zu bedauern:

■    warum dieser Bereich noch immer für viele Vermittler eine untergeordnete Rolle spielt
■    warum viele Kunden das Risiko falsch einschätzen
■    warum sich in einer falschen Sicherheit wähnen
 
Nein, Ziel ist es interessante Teilaspekte zu beleuchten, welche im Beratungsprozess – gezielt – eingesetzt werden können.

Wir haben unseren Fokus auf die Absicherung unseres Nachwuchses gelegt. Besonders die Absicherung unserer Jüngsten wollten wir uns näher anschauen:
Macht eine Berufsunfähigkeitsversicherung für Studenten und Schüler Sinn?
Welche Details muss man dabei beachten?
Was ist mit Nachversicherungsgarantien, Umstellungsoptionen, Lebensstellung der Studenten, Schulunfähigkeitsversicherung oder Schüler-Berufsunfähigkeit…?
Das Erfreuliche: es gibt bereits für Kinder ab 10 Jahren eine gute Absicherungsmöglichkeit am Markt. Doch was ist, wenn Eltern ihre Kinder schon im Volksschulalter abgesichert sehen wollen?

Unseren Kindern stehen alle Chancen und Möglichkeiten offen – ihnen gehört die Zukunft und sie haben noch viel vor. Sie müssen alles noch lernen und entdecken – Sprechen, Laufen, Greifen oder Sitzen. Anfangs noch eine echte Herausforderung – mit den Jahren eine Selbstverständlichkeit. Es ist die Grundlage dessen, was sie für ein eigenständiges Leben beherrschen müssen. Anders ausgedrückt: Kinder entwickeln Fähigkeiten – sogenannte „Grundfähigkeiten“. Wenn nur eine davon wegen einer Krankheit oder eines plötzlichen Unfalls nicht mehr genutzt werden kann, braucht man oft jede Menge Unterstützung im Alltag.

Und genau hier bietet die Grundfähigkeitsversicherung (wir wollen sie der Einfachheit halber mit GF abkürzen) einen möglichen Lösungsansatz.

Sie ist noch relativ neu am österreichischen Markt und hat sich bis dato noch nicht durchsetzen können. Das liegt wohl daran, dass sie oft lediglich als preiswerte Alternative zur Berufsunfähigkeitsversicherung (auch diese kürzen wir mit BU ab) beworben wird.

 

Was versteht man unter einer Grundfähigkeitsversicherung und wie funktioniert sie?

Die GF gehört zu den Arbeitskraftversicherungen. Wie die BU, zahlt sie im Leistungsfall eine monatliche Rente bis zum vereinbarten Endalter.
Allerdings ist der Leistungsauslöser ein anderer als bei der BU. Der Name verrät schon, dass es hier um die Absicherung von elementaren menschlichen Grundfähigkeiten (z.B. Sprechen, Hören, Sehen) geht. Verliert man diese aufgrund von Krankheit oder Unfall – so erhält man (sehr vereinfacht dargestellt) die vereinbarte Rente. Je nach Anbieter, müssen bei der versicherten Person eine oder mehrere menschliche Grundfähigkeiten nicht mehr vorhanden sein. Es gibt auch starke Unterschiede, welche Grundfähigkeiten versichert sind bei den jeweiligen Versicherungshäusern.

 

Warum zählt sie dann zu den Arbeitskraftabsicherungen?

Die GF sichert den Verlust von Sinnen und Grundfähigkeiten ab. Also keine erlernten Fähigkeiten, sondern angeborene Fähigkeiten. Deswegen besteht, anders als bei der BU, kein Zusammenhang zwischen den Leistungsauslösern und dem Beruf. Um es plakativ zu beschreiben: man erhält kein Geld, wenn die Hand kaputt ist – man erhält dann die Rente, wenn man mit keiner Hand mehr in der Lage ist eine Flasche mit Schraubverschluss zu öffnen; nicht mehr fähig ist, einen Schreibstift zum Schreiben von mindestens 5 Wörtern zu benutzen; mit keiner Hand in der Lage ist, einen Schraubendreher oder eine Schere bestimmungsgemäß zu benutzen! Alles klar?
Es spielt hier weder eine Rolle was die Ursache für den Verlust war, noch ob der Kunde trotz dieser Einschränkung weiterarbeiten kann. In der Praxis geht dies aber häufig mit dem Verlust der Arbeitskraft einher.
Somit schließt sich wieder der Kreis.

 

Was ist der Unterschied zwischen der Berufsunfähigkeits- und der Grundfähigkeitsversicherung?

In der Recherche zu diesem Thema bin ich u.a. auf einen Blogartikel von Guido Lehberg (www.der-buprofi.de) gestoßen. Er hat den Unterschied mit Hilfe zweier ganz verschiedenen Leistungsversprechen erklärt. Doch bevor wir auf diese näher eingehen, möchte ich eine Frage (ganz im Sinne von Guido Lehberg) an sie als Vermittler stellen.

Es stehen zwei Autos zur Auswahl:
1.    ein Sportwagen mit über 500 PS
2.    ein Geländewagen mit 8 Liter Hubraum, geräumig und mit maximaler Geschwindigkeit von 150 km/h.

Die Frage: welches von beiden Autos ist das Bessere???
Die Antwort: eigentlich nicht möglich – zumal nicht mal geklärt ist, was man damit vorhat.
Wenn es also um Geschwindigkeit geht, dann wird der Sportwagen die bessere Wahl sein. Damit im Gelände Spaß zu haben wäre aber wohl ein Fehler. Hier wäre klar der Geländewagen zu bevorzugen.

Ähnlich verhält es sich mit dem Vergleich zwischen einer BU- und GF-Versicherung. Die Frage, welche von beiden besser ist hängt davon ab, was sie absichern möchten. Und genau hier kommen wir zu den beiden ganz unterschiedlichen Leistungsversprechen.

 

Das Leistungsversprechen der Berufsunfähigkeitsversicherung

Das Leistungsversprechen in der BU ist hinlänglich bekannt. Man erhält die Rente dann, wenn man mindestens 6 Monate aufgrund einer Krankheit, einer Körperverletzung oder einem (auch altersentsprechenden) Kräfteverfall zu mindestens 50% im aktuellen Beruf nicht mehr arbeiten kann.

Es geht hier um die Absicherung des bisher erworbenen Status und der Lebensstellung – sowohl in sozialer als auch wirtschaftlicher Hinsicht.

Diese „schützenswerte“ Lebensstellung hat man durch die erzielte Einkommenshöhe, einer besonderen Qualifikation oder einfach durch Ausübung eines Berufes mit gehobenem sozialem Ansehen erreicht.

Auch hier gibt es natürlich Ausnahmen. Einige davon haben wir in den letzten Ausgaben des Makler Intern behandelt – sprich: Schüler, Auszubildende und Studierende. Diese Gruppen müssen erst noch ihre Lebensstellung aufbauen.

 

Das Leistungsversprechen der Grundfähigkeitsversicherung

Im Gegensatz zur BU sichert die GF nicht die Arbeitskraft ab, sondern nur bestimmte Fähigkeiten. Man erhält die Rente dann, wenn man mindestens 6 Monate (es gibt aber auch Bedingungen die einen längeren Zeitraum vorsehen!) aufgrund einer Krankheit, Körperverletzung oder mehr als alters-entsprechenden Kräfteverfall eine der im Vertrag versicherten Fähigkeit verloren hat.

Die weitere Berufsausübung hat hier keinen Einfluss auf die Leistung – weder im bisherigen ausgeübten Beruf, noch in einem anderen Beruf mit vergleichbarer Lebensstellung.

Auch wichtig zu beachten: psychische Erkrankungen sind in der GF grundsätzlich ausgeschlossen. Der Markt bietet aber mittlerweile eigene Bausteine diesbezüglich an. Ob sinnvoll oder nicht, das wird Thema in den nächsten Ausgaben sein.

 

Was bedeutet dies für uns als Vermittler in der Beratung?

Die GF sollte für uns als Vermittler nicht die erste Wahl bei der Absicherung der Arbeitskraft unserer Klienten sein. Sie ist in den meisten Fällen nicht dazu geeignet, die Arbeitskraft abzusichern und somit das Arbeitseinkommen. Sie bietet im Verhältnis zur BU lediglich einen Basisschutz an, indem sie vor den finanziellen Folgen bei Verlust bestimmter Grundfähigkeiten schützt – aber nicht zwangsläufig vor den Folgen der Berufsunfähigkeit.

Aus meiner Sicht ist die GF in erster Linie eine Freizeit-Absicherung. Verliere ich eine Grundfähigkeit, brauche ich Unterstützung im Haushalt oder im Garten (auch Gärtner arbeiten nicht kostenlos…). Ähnlich wie in der Unfallversicherung lassen sich mit der Rentenleistungen Kosten decken, die durch die gesundheitliche Einschränkung entstehen (z.B. Treppenlift). Sollte man viel Geld auf einmal benötigten lässt sich mit Hilfe der Rente eine Finanzierung stemmen.

Die Leistung kann aber auch als eine Art Schmerzensgeld angesehen werden. Schmerzensgeld in Form einer monatlichen Rente, wenn ich aus gesundheitlichen Gründen eingeschränkt bin. Finanziell abgesichert lässt sich dies sicherlich besser ertragen.

Spannend ist auch die Sichtweise als eine Art Dread Disease Absicherung. Der Unterschied ist lediglich, dass sie nicht bei Eintritt einer versicherten Krankheit leistet, sondern erst, wenn die Krankheit zu einer tatsächlichen Einschränkung geführt hat. Die Rentenleistung kann hier zur Finanzierung der laufenden Krankheitskosten herangezogen werden.

 

Fazit

Eine günstige Alternative anstelle einer BU stellt die GF für mich nur in den wenigsten Fällen dar. Sie kann eine BU nicht ersetzen, da die Leistungsvoraussetzungen komplett unterschiedlich sind. Nur wenn ich weiß, welche Tätigkeiten im beruflichen Alltag für meinen Kunden am wichtigsten sind, oder welche Tätigkeiten in seiner Freizeit abgesichert gehören, kann ich unter bestimmten Voraussetzungen auch mit einer GF dem Kunden eine maßgeschneiderte Absicherung anbieten.

Wann dies der Fall ist und für wen sich überhaupt eine GF lohnt, werden wir in den nächsten Ausgaben unserer Biometrie Reihe behandeln. Auch einen strengen Blick auf die Vielzahl an Leistungsauslöser werden wir vornehmen.

Und zu guter Letzt werden wir die Frage stellen, ob die Grundfähigkeitsversicherung für Kinder besonders lohnenswert ist.

Unsere Reise durch die wunderbare Welt der Biometrie ist noch lange nicht beendet … vielleicht schaffen wir es doch, noch im kommenden Sommer die Mücken zu vertreiben.