MaklerIntern - Archiv

MaklerIntern - Archiv durchsuchen

Hier finden Sie ausgewählte Artikel aus den MaklerIntern-Ausgaben der letzten Jahre.

Fallstricke – Ermittlungsstrafrechtsschutz

Avatar of Ing. Mirko Gernot Ivanic Ing. Mirko Gernot Ivanic | 14. Juni 2021 | Recht

Bei vielen Rechtsschutzversicherern gilt seit dem Inkrafttreten des Strafprozessreformgesetzes (2008) in der Grunddeckung das Ermittlungsstrafverfahren als mitversichert. Der Deckungsumfang dieses unbedingt notwendigen Rechtsschutzbausteins ist jedoch bei den am Markt vertretenen Assekuranzen unterschiedlich gestaltet, was im Schadensfall – je Bedingungswerk – zu Deckungslücken mit erheblich nachteiligen Folgen für den Versicherungsnehmer führen kann.

Aufbau des Strafverfahrens

Im Strafverfahren unterscheidet man zwischen dem Ermittlungsverfahren und dem Hauptverfahren. Das Ziel des Ermittlungsverfahrens ist es, einen Sachverhalt oder einen Tatverdacht aufzuklären. Die Staatsanwaltschaft ermittelt zusammen mit der Kriminalpolizei und entscheidet nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens, ob eine Anklage erhoben wird oder ein Rücktritt von den Verfolgungen oder eine Einstellung des Verfahrens vorgenommen wird. Beim Ermittlungsverfahren hat die Staatsanwaltschaft die Leitung, wobei das Gericht zum einen die rechtliche Kontrolle ausübt und zum anderen Rechtsschutz gewährt.

Rechte des Beschuldigten
In diesem Ermittlungsverfahren verfügt der Beschuldigte über mehr Rechte als bisher. Er hat nun beispielsweise das Recht, Beweisanträge zu stellen oder seinen Rechtsanwalt beizuziehen. Qualifizierter Rechtsbeistand für den Beschuldigten ist in dieser Phase wesentlich, um eine deutlich bessere Ausgangsposition für die Hauptverhandlung zu schaffen bzw. das Verfahren ohne gerichtliche Verhandlung zu beenden.

Verfahrensbeteiligte
Das Strafrecht kennt unterschiedlichste Begriffe für Verfahrensbeteiligte im Strafprozess. Wie differenziert wird, zeigt der folgende Überblick.

Angezeigte
Angezeigte sind Personen, die von einer strafrechtlichen Anzeige oder einem Strafverfahren betroffen sind. Der Begriff ist zwar Teil des allgemeinen Sprachgebrauchs, kommt in der Strafprozessordnung allerdings nicht vor und spielt daher juristisch keine große Rolle. Eine Anzeige kann sowohl von Behörden als auch von Privatpersonen erstattet werden und einen Anfangsverdacht begründen, der zu Ermittlungen der Staatsanwaltschaft führt.

Verdächtige und Beschuldigte
Schwieriger ist die Abgrenzung zwischen Verdächtigen und Beschuldigten. Die verschiedenen Rollen werden in § 48 Strafprozessordnung (StPO) geregelt. Laut Gesetz ist ein Verdächtiger jede Person, gegen die aufgrund eines Anfangsverdachts ermittelt wird. Ein solcher Verdacht liegt vor, wenn vage angenommen werden kann, dass eine Straftat begangen wurde. Beschuldigter ist jeder Verdächtige, sobald sich die Verdachtsmomente dahin verdichten, dass er eine strafbare Handlung begangen hat und vertiefende Ermittlungsmaßnahmen seitens der Behörden durchgeführt werden.

Für die Rechtspraxis ist die Unterscheidung zwischen Verdächtigten und Beschuldigten nicht von Relevanz. Die Rechtsschutzvorschriften der Strafprozessordnung gelten gleichermaßen für beide Verfahrensbeteiligte. Der Grund für die Unterscheidung liegt eher im Schutz vor der öffentlichen Brandmarkung, wenn noch kein konkreter Verdacht vorliegt. Es soll gegenüber der Öffentlichkeit also auch sprachlich klargestellt werden, dass bei Verdächtigen nur eine vage Verdachtslage besteht.

Angeklagte
Angeklagter ist laut § 48 StPO jeder, gegen den die Staatsanwaltschaft Anklage erhebt. Ermittlungsverfahren können auf unterschiedliche Weise beendet werden. Zur Anklage kommt es dann, wenn die Strafverfolgungsbehörde eine Verurteilung als wahrscheinlicher ansieht als einen Freispruch. Ist das nicht der Fall, stellt sie das Verfahren ein. Mit der Einbringung der Anklage bei Gericht endet das Ermittlungsverfahren. Es folgt die öffentliche Hauptverhandlung.

Status des Beteiligten als Deckungslücke
Die Rechtsschutzversicherer formulieren ihre Leistungspflicht in den Bedingungswerken unterschiedlich. Es werden betragliche Höchstgrenzen eingezogen oder der Versicherungsschutz an den Status des Beteiligten im Ermittlungsverfahren geknüpft. Demnach macht es einen Unterschied, ob man als Verdächtiger oder als Beschuldigter geführt wird. Ersterer ist von der Deckung ausgeschlossen, Letzterer genießt im Ermittlungsverfahren umfassenden Versicherungsschutz. Es handelt sich um ein und dasselbe Verfahren, das – unabhängig von der Begriffsauslegung der Beteiligten – rechtliche Unterstützung notwendig macht.

Unterschiede in den Bedingungswerken
Wie unterschiedlich die Formulierungen in den Bedingungswerken und der sich daraus ableitende Deckungsumfang sind, zeigen die folgenden Auszüge:

„[…] in Ermittlungsverfahren gemäß der Strafprozessordnung (StPO) ab Beginn der Ermittlungen gegen den Versicherungsnehmer als Beschuldigter bis zur vertraglich vereinbarten Höhe (Kostenbegrenzung).“ 

„In Ermittlungsverfahren wegen gerichtlich strafbarer Delikte übernimmt der Versicherer die notwendigen Kosten der Verteidigungshandlungen und Verfahrenskosten bis zur vereinbarten Höchstgrenze.“

„Im Ermittlungsstrafverfahren umfasst der Versicherungsschutz die Verteidigung in Verfahren vor der Anklage gemäß der Strafprozessordnung (StPO).“

Conclusio
Die Bedingungen sind seitens des Maklers dahingehend zu prüfen, ob im Verfahren seitens des Rechtsschutzversicherers eine umfassende Deckung, unabhängig vom Status des Beteiligten, gegeben ist. Auf eine etwaige betragliche Begrenzung der Gesamtkosten ist der Versicherungsnehmer explizit hinzuweisen. Jedenfalls darf der Baustein für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren in keinem Deckungskonzept fehlen.