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Die Kündigungsmöglichkeit eines Vereins

Avatar of Mag. Alexander Gimborn Mag. Alexander Gimborn | 27. Oktober 2022 | Recht

 

 

Der Versicherungsmakler(innen)alltag ist unter anderem davon geprägt, Kündigungen auszusprechen. Der Gesetzgeber hat uns dafür eine Vielzahl von Möglichkeiten an Paragraphen zur Verfügung gestellt, ein ganz zentraler Kündigungs-Paragraph ist der uns bekannte § 8 Abs 3 VersVG: 

„Ist der Versicherungsnehmer Verbraucher (§ 1 Abs. 1 Z 2 KSchG), so kann er ein Versicherungsverhältnis, das er für eine Dauer von mehr als drei Jahren eingegangen ist, zum Ende des dritten Jahres oder jedes darauffolgenden Jahres unter Einhaltung einer Frist von einem Monat kündigen….“ 

 

Ist nun dieser Paragraph auch anwendbar für die Kündigung von Vereinen?

Dazu dürfen wir etwas weiter ausholen und fassen einmal grundlegend zusammen: 

Viele  - um nicht zu sagen die meisten Vereine - sind nach dem Vereinsgesetz 1951 konstituiert. Dieses Gesetz wurde im Jahr 2002 durch das sogenannte VereinsG 2002 abgelöst. Dieses „neuere“ Gesetz gilt NUR für die sogenannten „Ideal-vereine“, also genau jene, die ideellen Zwecken dienen, also Vereine OHNE Gewinnerzielungsabsicht (z.B. Trachtenmusikkapelle, Sportverein, etc.).

 

Zusammenfassung 1: Schließen sich mindestens zwei Personen zu einer auf Dauer angelegten Organisation zusammen, die einen bestimmten, gemeinsamen sowie auch ideellen Zweck verfolgt, so sprechen wir von einem Idealverein. Das Vereinsgesetz von 2002 verlangt, dass der Verein nicht auf Gewinn gerichtet sein darf. Dennoch kann aber der Verein als Unternehmer in Frage kommen, weil er sich auch erwerbswirtschaftlich betätigen darf – hier spricht man von dem sogenannten Nebenzweckprivileg – und auch Gewinne erzielen darf; diese dürfen aber nicht an die Vereinsmitglieder ausgeschüttet werden. Wird ein Gewinn erzielt und dieser dem Verein dann wieder für die Erfüllung seiner ideellen Zwecke zugeführt, dann kann der Verein auch gewerblich tätig sein, Beispiel: Der Kulturverein betreibt einen gewinnorientierten Kiosk.

Wenn der Verein aber ausschließlich einer gewinnorientierten Tätigkeit nachgehen würde, so würde die Rechtsform des Vereines NICHT zur Verfügung stehen!

 

Praxisbeispiel: Man kündigt gem § 8 Abs 3 VersVG einen Vertrag einer Trachtenmusikkapelle bei einer Versicherung und erhält nach einer Urgenz dann folgende Information schriftlich:

„Nach Rücksprache mit unserer Rechtsabteilung bleiben wir bei unserem Standpunkt, ein Verein ist kein Konsument im Sinne des KSchG“.

 

Eine derartige Pauschalaussage ist mehr als hinterfragungswürdig und so versucht man nochmals positiv auf die Entscheidungsträger der Versicherung telefonisch einzuwirken. Dies wird dann wie folgt beantwortet:

„Eine positive Definition des Begriffs „Verbraucher“ enthält das KSchG nicht, als Verbraucher ist diejenige natürliche oder juristische Person anzusehen, die in Bezug auf das konkrete Geschäft nicht unternehmerisch handelt. Die Beweislast für das Vorliegen der Verbrauchereigenschaft (bzw der  Unternehmereigenschaft) folgt den allgemeinen Regeln, liegt also bei demjenigen, der sich auf die betreffende Bestimmung beruft. Ein Verein kann daher grundsätzlich als juristische Person auch Konsument sein. Es kommt auf die wirtschaftliche bzw unternehmerische Tätigkeit eines Vereins an und ob in der jeweiligen Sache ein Zusammenhang mit unternehmerischen Tätigkeiten besteht. Wenn zB ein Verein eine Versicherung nicht zur Risikodeckung von unternehmerischen Tätigkeiten, sondern vielmehr zum Schutz der sicheren Verfolgung und Ausübung ihrer ideellen Zwecke und internen Vereinstätigkeiten abgeschlossen haben, so kann man die Konsumenteneigenschaft hinsichtlich der Versicherung vertreten. Das hängt aber eben davon ab, was der Verein alles tut und wie er ausgerichtet ist, daher bitten wir um Zusendung entsprechender Unterlagen.“

 

Praxistipp: Unterlagen wurden nicht vorgelegt aber folgende Argumentarien brachten dann Bewegung ins „Spiel“:

„….bitte seien Sie nicht ungehalten, aber Ihre Aussage/die Aussage der ….Versicherung AG erhebt leider nicht Anspruch auf Vollständigkeit.

Richtig ist: Der Unternehmensbegriff des Unternehmensgesetzbuches (UGB) stellt ausdrücklich nicht auf die Gewinnerzielungsabsicht ab! Damit können also auch Vereine vom UGB erfasst werden. Dies dann, wenn sie Leistungen regelmäßig auf dem Markt gegen Entgelt anbieten.

Auf den Versicherungsvertrag der Trachtemusikkapelle zutreffend ist: Finanziert ein Verein seine Leistungen allerdings über Mitgliedsbeiträge, Spenden, Subventionen und Sponsoring, also ohne unmittelbares Entgelt für die jeweilige Leistung, oder zu einem nicht auf Kostendeckung kalkulierten Entgelt, kann nicht von einem Unternehmen ausgegangen werden.

 

Ein Verein ohne Außentätigkeit wie etwa ein wöchentlich zusammentreffender Musikverein, der seine Ausgaben bloß über seine Mitgliedsbeiträge finanziert, ist kein Unternehmen. Dieses Kalkül gilt auch für außenorientierte Vereine, die karitative Leistungen erbringen. Sie geben zwar werthafte Leistungen ab. Es besteht aber kein Austauschverhältnis mit dem Leistungsempfänger, weil dieser ein angemessenes Entgelt gar nicht aufbringen könnte. Der Verein der Trachtenmusikkapelle ist de facto sowie de jure kein Unternehmer und greift die Konsumentenkündigungsmöglichkeit nach § 8Abs 3 VersVG.

Zusammenfassung: Verein ist nicht Verein, zumeist (aber nicht immer) wird er Konsumenteneigenschaft besitzen.

 

Aber auch ideelle Vereine können als Unternehmer iSd §1 UGB auftreten, wenn sie wirtschaftlich relevante Tätigkeiten tatsächlich entfalten und hierfür auf Dauer organisatorisch eingerichtet sind; dabei schadet es nicht, dass die unternehmerische Tätigkeit dem (ideellen) Vereinszweck untergeordnet ist, siehe eindrucksvoll 3Ob 34/12i. Dieser Fall wird aber für den überwiegenden Teil der Vereine NICHT zutreffen!

Der Gesetzgeber hat in §1 Abs 5 KSchG eindeutig festgehalten: Die Bestimmungen des I. und des II. Hauptstücks sind auch auf den Beitritt zu und die Mitgliedschaft bei Vereinen anzuwenden, wenn diese zwar von ihren Mitgliedern Beiträge oder sonstige Geldleistungen verlangen, ihnen aber nur eingeschränkte Mitgliedschaftsrechte einräumen und die Mitgliedschaft nicht geschäftlichen Zwecken dient.

 

Somit fassen wir zusammen wie ein deutscher Dichter: Blick nicht zurück in Ärgernis, schau ein Stück nach vorn. In sehr vielen Fällen wird ein Verein in Österreich Konsumenteneigenschaft haben.