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Die Berufsunfähigkeits-Versicherung

Avatar of RA Dr. Hans-Jörg Vogl RA Dr. Hans-Jörg Vogl | 26. September 2017 | Recht

Die Berufsunfähigkeitsversicherung

Tücken beim Abschluss und im Leistungsfall

In letzter Zeit häufen sich Leistungsfälle aus der Berufsunfähigkeitsversicherung. Die Anzahl der Prozesse, welche wir zu führen haben, nimmt in den letzten Jahren rapide zu.

Soweit wir Einblick in die Entscheidungsfindung der Versicherungswirtschaft haben, scheint es so zu sein, dass die Rückversicherer bei der Liquidierung von Berufsunfähigkeitsentschädigungsleistungen ein sehr gewichtiges Wort mitzureden haben.

Bei einer Versicherung haben wir die vorprozessualen Verhandlungen ausschließlich mit dem Rückversicherer, welcher in München sitzt, geführt. Wir waren über die Verhandlungsstärke des Rückversicherers sehr überrascht.

Einige Beispiele:

Pilot:

Unser Mandant hat sich nach einer Lehre in der Gastwirtschaft seinen Traum erfüllt. Er hat sich beim Bundesheer gemeldet. Dort hat er sich zum Hubschrauberpiloten ausbilden lassen. Nach Bestätigung des Stützpunktkommandanten war unser Mandant ein so hervorragender Pilot, dass er einen beträchtlichen Teil seiner Zeit auch für Ausbildung für andere Piloten verwendete. Daneben flog unser Mandant selbst, auch in Krisengebieten wie Kosovo etc.

Unser Mandant war ab dem Jahr 2000 als Hubschrauberpilot berufsunfähigkeitsversichert. Da diese Berufsunfähigkeitsversicherung eine relativ geringe Deckungssumme hatte, entschloss er sich, im Jahr 2007 eine „Loss of Licence – Versicherung“, sowie eine neue Berufsunfähigkeitsversicherung mit höherer Deckungssumme abzuschließen.

Dem Versicherungsabschluss gingen die üblichen Gesundheitsfragen voran. Darin hatte der Kläger Fragen nach einer Hauterkrankung, psychischen Schäden, Hirnerkrankungen, Erbkrankheiten anzugeben.

Da es ihm unwesentlich erschien, hat der Mandant es unterlassen, eine geringgradig auftretende Schuppenflechte anzugeben. Weiters gab er nicht an, dass er sich wegen eines „steifen Nackens“ Massagen verschrieben ließ. Anscheinend soll seine Mutter an Rheuma gelitten haben, was der Mandant ebenfalls nicht angab.

Vor und nach Abschluss der Berufsunfähigkeitsversicherung musste sich der Kläger mehrfach Leistungstests und diversen, strengen Tests in Flugsimulatoren beweisen. Sämtliche Leistungswerte waren in den oberen 10 % der getesteten Personen.

Sieben Jahre nach Versicherungsbeginn bemerkte der Kläger, dass er Schwindelattacken bekam. Mit Schwindelattacken ist es unmöglich, einen Hubschrauber zu fliegen. Ab 2014 ist der Kläger daher bis heute durchgehend als fluguntauglich bewertet.

Der Kläger hat nunmehr seinen Traumberuf verloren. Er besuchte zahlreiche Ärzte und hochdekorierte Spezialisten. Bislang konnte ihm kein Arzt helfen. Der Kläger ist Unteroffizier beim Bundesheer. Nachdem er nicht mehr fliegen konnte, wurde er im Innendienst eingeteilt. Dort beschäftigte er sich mit Einsatzplanung, Disposition von Wehrgeräten bis hin zur Essensausgabe.

Die Versicherung hat die Erbringung einer Leistung abgelehnt. Laut dem ihr vorliegenden Gutachten ist der Beruf eines Hubschrauberpiloten mit dem eines Innendienst-Unteroffiziers gleichwertig. Dass der Versicherungsnehmer nunmehr wesentlich weniger verdiene, sei egal. Das Absinken in eine niederere soziale Stellung und der merkliche Einkommensverlust müssten kumulativ vorliegen.

Im Jahr 2015 wurde die Klage eingebracht. Der Gerichtsgutachter pulverisierte das Sachverständigengutachten der Versicherung. Selbstverständlich hat der Kläger eine beträchtliche Einbuße in der Wertschätzung seines Berufs hinzunehmen. Selbstverständlich verdient der Kläger auch wesentlich weniger. Die beklagte Versicherung reitet nunmehr auf dem Argument, der Versicherungsnehmer habe im Antrag nicht alles angegeben (Schuppenflechte, steifer Nacken, Rheuma bei der Mutter).
Der Prozess wütet schon seit zweieinhalb Jahren beim Handelsgericht Wien.

 

HNO-Arzt:

Unser Mandant, HNO-Arzt mit gut gehender Praxis

(Jahresgewinn ca. € 180.000,00), hat sich bei der gleichen Versicherung, wie der Pilot im vorigen Beispiel gegen Berufsunfähigkeit ab 2009 versichert.

Die ursprüngliche Jahresbruttoprämie betrug
€ 4.535,39. Die ursprüngliche Rente bei Berufsunfähigkeit betrug € 6.833,33. Ab Dezember 2016 betrug die monatliche Rente € 9.175,59.

Der HNO-Arzt füllte alle Antragsfragen nach bestem Wissen und Gewissen aus. Ab Dezember 2016 leidet er an fortgeschrittener Demenz, ab diesem Zeitpunkt musste er seine Ordination schließen.

Die Berufsunfähigkeitsversicherung wurde vor allem deshalb abgeschlossen, damit sich der HNO-Arzt, sollte er berufsunfähig werden, seinen bisherigen Lebensstandard sichern kann. Nach der Schadenmeldung versuchte der Makler sein Glück bei der Schadenregulierung. Die Aufforderungen des Maklers, den Schaden endlich zu zahlen, verliefen jedoch bei der Rückversicherung praktisch im Sand. Die Rückversicherung verlangte, was auch angemessen ist, bei sämtlichen Ärzten, welche den HNO-Arzt behandelt haben, Abschriften der Krankengeschichte.

Einer der behandelnden Ärzte konnte sich schwach erinnern, dass der HNO-Arzt, welcher damals ungefähr 40 Jahre alt war, bei einem Arzttermin 2003 angegeben habe, er würde unter Depressionen leiden. Diese Angabe hatte keine sogenannte kurative Konsequenz. Es wurden keine Medikamente verschrieben. In der Ambulanzkarte des Arztes befand sich auch kein weiterer Eintrag.

Nach anwaltlicher Intervention (Gesamtschaden ca. € 700.000,00) hat der Rückversicherer zunächst € 200.000,00, danach € 275.000,00, danach die Zahlung sehr hoher Anwaltskosten geboten. Angesichts des doch etwas mickrigen Angebotes wurde die Klage eingebracht. In der Klagebeantwortung erreichte den HNO-Arzt ein wahres Bombardement an Einwendungen.

Natürlich hatte der HNO-Arzt die kurzfristige, depressive Episode, welches ein halbes Jahrzehnt vor Versicherungsbeginn war, vergessen. Die Antragsfrage, woran seine Eltern verstorben seien beantwortete er dahingehend, dass sein Vater an Parkinson verstorben sei. Die Versicherung wendet nunmehr nebst vielen anderen möglichen und unmöglichen Argumenten ein, dass der Kläger die absolut unwichtige Depression angeben hätte müssen. Weiters, dass er als Todesursache seines Vaters nicht die Parkinson-Krankheit sondern eine Unterart davon, nämlich eine Lewy-Body-Demenz angeben hätte müssen. All dies würde zur Leistungsfreiheit führen. Darüber hinaus wurde vorgeworfen, dass der HNO-Arzt das großzügige Angebot über € 275.000,00 samt großzügigen Anwaltskosten (Gesamtschaden € 700.000,00) nicht angenommen hätte.

Weiters wurde (um Zeit zu gewinnen) die Unterbrechung des Prozesses beantragt, um zu überprüfen, ob der HNO-Arzt noch handlungsfähig ist und einen Anwalt beauftragen kann. Sowohl das Direktverfahren, als das Sachwalterschaftsverfahren behängen noch.

 
Suchmaschinenoptimierer:

Nach einigen technischen Ausbildungen wandte sich der Mandant, welcher in Liechtenstein beschäftigt ist, dem Spezialgebiet der Suchmaschinen-Optimierung zu.

Tüchtige Suchmaschinenoptimierer verdienen in Liechtenstein bis zu € 300.000,00, weil bei ihrer Arbeit hohe multiplikative Effekte erzielt werden können.

Der Kläger hat sich Anfang 2000 ein luxuriöses Haus mit Swimmingpool, Gartenanlage, etc. erbauen lassen. Aufgrund der doch beträchtlichen finanziellen Belastungen hat der Kläger in den Jahren 2009 bis 2011 diverse Berufsunfähigkeitsversicherungen abgeschlossen. Der Kläger hatte ab dem Jahr 2000 ca. eine 70–80 Stundenwoche, aufgrund der verschiedenen Zeitzonen (Kanada / Japan) musste der Kläger nahezu rund um die Uhr telefonisch erreichbar sein. Ende 2015 ist der Kläger in sich zusammengebrochen. Er leidet seit dem an einem Burn-Out-Syndrom. Dieses Burn-Out-Syndrom präsentiert sich therapieresistent. Der Kläger bezieht eine 100 % -ige Berufsunfähigkeitspension und in der Schweiz eine Berufsunfähigkeitsrente.

Auch hier ist der Kläger von den Versicherungen einem wahren Bombardement an Einwendungen ausgesetzt. Der Kläger hat zwar im Antrag angegeben, dass er unter einem Tinnitus gelitten hat. Dieser Tinnitus (ca. 7 Jahre vor Versicherungsbeginn) war so  therapieresistent, dass er sich in einer psychischen Beeinträchtigung manifestierte. Es wurde versucht, den Tinnitus durch Hinzuziehung von Psychiatern und Neurologen zu bekämpfen, was auch gelang. Weder durch den Tinnitus, noch durch sonstige Erkrankungen (ausgenommen Entfernung von Nierensteinen) war der Kläger ab Antragsaufnahme bis zum Eintritt der Berufsunfähigkeit keinen einzigen Tag im Krankenhaus, dies, obwohl er meist Samstags und Sonntags gearbeitet hat. Sämtliche Versicherer wenden nunmehr ein, dass die Verschweigung bei den Antragsfragen im Zusammenhang mit seiner jetzigen Berufsunfähigkeit steht. Ein profunder Arzt hat einen kausalen Zusammenhang verneint. Dennoch muss der IT-Spezialist einen Spießrutenlauf absolvieren.

Diese und die anderen 30 Fälle, welche wir derzeit bearbeiten, lassen ein gewisses Verhaltensmuster der Berufsunfähigkeitsversicherungen erkennen:

  • Wenn es irgendwie geht, wird die Leistung zunächst mit dem Argument verweigert, dass die Tätigkeit, welche durch den Versicherungsnehmer noch ausgeübt werden kann, mit der vorangegangenen Tätigkeit gleichwertig ist.
  • Gelingt dies nicht, wird dem Versicherungsnehmer vorgeworfen, er habe irgendwelche Antragsfragen nicht oder nicht vollständig beantwortet.
  • Aufgrund unserer Erfahrungen kämpfen hier die Versicherer, welche offenbar von den weit entfernten Rückversicherern abhängig sind, praktisch bis zur letzten Patrone, wobei immer wieder der Versuch unternommen wird, den Versicherungsnehmer mit dem Spatz in der Hand, welcher ja bekanntlich besser ist, als die Taube auf dem Kirchdach, zu locken.

Folgende Vorsichtsmaßnahmen sind unseres Erachtens angebracht, wobei wir jedoch nicht verkennen, dass die nachstehenden Vorschläge etwas praxisfern sind.

  • Bei Bekanntgabe des Berufes und des Einkommens ist genauestens vorzugehen. Prozesse wurden auch schon verloren, weil der VN ein falsches Einkommen angab.
  • Die Antragsfragen sind peinlichst und genauestens zu beantworten. Dies auch dann, wenn der Beobachtungszeitraum 10 Jahre zurückgeht.
  • Wenn man auf Nummer sicher gehen will, sind dem Antrag auf Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung sämtliche Behandlungsunterlagen, insbesondere die Patientenkartei des Hausarztes, der sonstigen Ärzte, sämtliche Krankengeschichten, weiters Abrechnungen der Zusatzkrankenversicherung beizuschließen.

Es mag sein, dass ein solcher Ratschlag als weltfremd empfunden wird. Dies insbesondere auch deshalb, weil unter Einhaltung solcher Maßnahmen Versicherungen eher dazu neigen, Anträge nicht, oder nur mit saftiger Mehrprämie anzunehmen. Als Makler wird man daher abzuwägen haben, welches Risiko man bei Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung eingehen will.

Es kann jedoch gesagt werden, dass die Mehrheit der Berufsunfähigkeits- Leistungsfälle deshalb abgelehnt werden, weil bei den Antragsfragen irgendetwas nicht angegeben wurde. Bei dieser Gelegenheit gestatten wir uns auch darauf hinzuweisen, dass bei der Nichtangabe diverser Krankheiten der Versicherungsnehmer im Schadenfall beweisen muss, dass die Nichtangabe diverser Krankheiten mit dem späteren Leistungsfall nichts zu tun hatte. Dieser Beweis gelingt meistens nicht, weil medizinisch ja praktisch nichts ausgeschlossen werden kann.