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Autonomes Fahren-Harmonie oder Disharmonie für das geltende Recht?

Avatar of Mag. Alexander Gimborn Mag. Alexander Gimborn | 29. April 2019 | Recht

Autonomes Fahren-Harmonie oder Disharmonie für das geltende Recht?

Automatisiertes Fahren wird die Mobilität der Zukunft tiefgreifend verändern. Die Integration neuer Technologien und Kommunikationssysteme eröffnet große Potenziale für die Mobilität des 21. Jahrhunderts, insbesondere im Hinblick auf Erhöhung der Verkehrssicherheit, der Optimierung der Verkehrseffizienz, der Reduktion des Energieverbrauchs und der Emissionen und der Nutzung und Generierung von Wertschöpfungspotenzialen. Das Wort „Automobil“, welches sowohl früher als auch in der heutigen Zeit für die Bezeichnung von Fahrzeugen genutzt wird, stammt vom griechischen autòs („selbst, persönlich, eigen“) und vom lateinischen mobilis („beweglich“) ab. Also soll mit dem Begriff das Selbstbewegliche verdeutlicht werden. Bemerkenswert dabei ist, dass die Bezeichnung „Automobil“ für die Fahrzeuge, die wir seit jeher kennen und nutzen, nicht ganz zutreffend ist. Strenggenommen liebäugelt das Wort mit dem Fahrzeug der Zukunft und dem dazugehörenden autonomen Fahren. Sowohl national als auch international beschäftigt man sich intensiv mit der Realisierung des vollautomatisierten Fahrens. Obwohl bereits jahrelang in diesem Bereich geforscht wird und das Thema „autonomes Fahren“ starke Präsenz in den Medien erfährt, hat sich bisher kein einheitlicher Überbegriff manifestiert. Es wurde bisher lediglich eine Klassifizierung unterschiedlicher  Assistenz- und Automatisierungsgrade in Europa und den USA vorgenommen, die die Kommunikation zwischen Fachleuten und Juristen erleichtern soll. Neben den technischen Aspekten spielen auch gesellschaftsrechtliche Fragen eine große Rolle. Bereits der Begriff „Autonomie“ lässt erahnen, dass ethische Gesichtspunkte hier mit der neuen Technik Hand in Hand gehen. Nach Immanuel Kant ist die Autonomie die „Selbstbestimmung im Rahmen eines (Sitten)-Gesetzes“. Wie kategorisiert nun die Technik – unabhängig von Kants These – die derzeitige technische Evolution?  

Level 1: Das assistierte Fahren. Bei zahlreichen Automobilherstellern sind sie heute schon state of the art: Viele Fahrerassistenzsysteme unterstützen den Fahrer bei der Fahraufgabe und sorgen so für mehr Sicherheit und Komfort. Das kann etwa die Aktive Geschwindigkeitsregelung mit Stop&Go-Funktion sein, die den Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug selbstständig regelt. Oder auch die Auffahr- und Personenwarnung mit City-Bremsfunktion, die durch einen automatischen Bremsvorgang Kollisionen verhindern soll.

Level 2: Teilautomatisierte Fahren: Auch dies ist bereits Wirklichkeit und in den neuesten Fahrzeugen auf der Straße im Einsatz und sind die Funktionen, die teilautomatisiertes Fahren ermöglichen, eingebaut. Teilautomatisierte Fahrerassistenzsysteme, wie etwa der Lenk- und Spurführungsassistent inklusive Stauassistent, erleichtern den Straßenalltag: Sie können automatisch bremsen, beschleunigen und im Gegensatz zu Level 1 auch das Steuer übernehmen. Mit der Funktion Ferngesteuertes Einparken ermöglichte bereits ein Hersteller erstmals fahrerlos in enge Parkbuchten einzuparken. Wie bei Level 1 bleibt der Fahrer jedoch stets in der Verantwortung für die Fahrzeugführung und kann sich nicht vom Verkehrsgeschehen abwenden.

Level 3: Hochautomatisiertes Fahren: Bei zukünftigen KFZ-Modellen gewinnt der Fahrer immer mehr Freiheit, indem er sich unter bestimmten Voraussetzungen dauerhaft vom Verkehrsgeschehen abwenden kann und die Fahraufgabe vollständig an das Fahrzeug delegiert. Das Fahrzeug ist mittels hochautomatisierter Systeme in der Lage, über längere Strecken und in bestimmten Verkehrssituationen, z. B. Autobahnfahrten, komplett selbständig zu fahren. Der Fahrer muss jedoch in der Lage bleiben, die Fahraufgabe innerhalb weniger Sekunden, z. B. in Baustellensituationen, wieder zu übernehmen.

Level 4: Vollautomatisiertes Fahren: Level 4 ist die Vorstufe zum autonomen Fahren, bei welcher das Fahrzeug den überwiegenden Teil seiner Fahrt selbständig navigiert. Die Technologie für das automatisierte Fahren in Level 4 ist soweit weiterentwickelt, dass das Fahrzeug selbst hochkomplexe urbane Verkehrssituationen, z. B. plötzlich auftretende Baustellen, ohne Eingriff des Fahrers meistern kann. Der Fahrer muss dennoch fahrtüchtig sein, um im Bedarfsfall die Fahraufgabe übernehmen zu können. Es ist jedoch denkbar, während der Fahrt z. B. zeitweise zu schlafen. Ignoriert der Fahrer die Warnhinweise, besitzt das System die Autorität, den Wagen in einen sicheren Zustand zu überführen – wie etwa anzuhalten. Während Level 4 noch einen Fahrer verlangt, kommt im nächsten Level beim autonomen Fahren das Fahrzeug ganz ohne Fahrer aus.

Level 5: Autonomes Fahren: Im Gegensatz zu Level 3 und 4 ist beim völlig autonomen Fahren weder eine Fahrtüchtigkeit noch eine Fahrerlaubnis erforderlich – Lenkrad und Pedalerie sind somit entbehrlich. Das Fahrzeug übernimmt alle Fahrfunktionen. Alle Personen im Wagen werden somit zu Passagieren. Die Komplexität, bzw. die Anforderung an technische Lösungen, ist dabei ausgesprochen hoch. Deshalb werden komplett selbstfahrende Fahrzeuge zunächst mit relativ geringen Geschwindigkeiten im Stadtverkehr unterwegs sein. Auch wenn sie Autobahnen locker meistern können wird sich Ihr Einsatz zu Beginn auf Innenstädte und dort auf begrenzte Bereiche fokussieren. Bringt nun der technische Fortschritt auch eine Änderung auf gesetzlicher Ebene mit sich? Bisher war die Sachlage eindeutig: Wer bei der Autofahrt ein anderes Auto, einen Zaun oder gar eine Person beschädigt, haftet. Deshalb verfügt er über die gesetzlich vorgeschriebene Kfz-Haftpflichtversicherung.  

§ 1 EKHG: Wird durch einen Unfall […] beim Betrieb eines Kraftfahrzeugs ein Mensch getötet, an seinem Körper oder an seiner Gesundheit verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der hieraus entstehende Schaden gemäß den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zu ersetzen. 
§ 9 Abs 1 EKHG: Die Ersatzpflicht ist ausgeschlossen, wenn der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht wurde, das weder auf einem Fehler in der Beschaffenheit noch auf einem Versagen der Verrichtungen der Eisenbahn oder des Kraftfahrzeugs beruhte. 
§ 9 Abs 2 EKHG: Trotzdem Haftung bei Verwirklichung der außergewöhnlichen Betriebsgefahr.  

Diese dient zunächst der Versicherung der vom Fahrzeug – zum Beispiel durch geplatzte Reifen oder Schläuche ausgehenden Betriebsgefahr – zudem sind Fahrer und Halter des Fahrzeugs versichert. Stichwort: menschliches Versagen. Mit der Automatisierung des Fahrens wird sich aber die Schadenslage bei Autounfällen verschieben. Sie gehen dann häufig nicht mehr auf menschliches Versagen zurück, sondern auf das Auto selbst beziehungsweise das in ihm verbaute System. Das autonome Fahren stellt für die Zukunft eine Neuordnung der Mobilität dar. Das Zusammenspiel von Mensch, Technik und Sicherheit soll eine neue Stufe erreichen. Klarerweise gehen damit auch einher, dass die bisherige Gesetzeslage für den Straßenverkehr, für die neue Art der Mobilität nicht ausreicht. Das internationale Recht für den Straßenverkehr wird im Wiener Übereinkommen seit November 1968 geregelt. Es ist ein völkerrechtlicher Vertrag, der die Grundbasis für das nationale Verkehrsrecht darstellt:  

Art 8 Abs 1: „Jedes Fahrzeug und miteinander verbundene Fahrzeuge müssen, wenn sie in Bewegung sind, einen Lenker haben.“ 
Art 13 Abs 1: „Jeder Fahrzeuglenker muss unter allen Umständen sein Fahrzeug beherrschen, um den Sorgfaltspflichten genügen zu können und um ständig in der Lage zu sein, alle ihm obliegenden Fahrbewegungen auszuführen […].“  

Die Fassung von 1968 besagt, dass der Fahrer zu jeder Zeit die volle Kontrolle über das Fahrzeug hat bzw. haben muss. Es ist zu erkennen, dass dieses Gesetz das automatisierte Fahren nicht erlauben würde. Daher gab es bereits März 2014 diesbezüglich einen Änderungsvorschlag mehrerer Länder, indem die Idee propagiert wurde, dass die permanente Beherrschbarkeit durch den Lenker entfallen kann, wenn die Technik des automatisierten Fahrzeugs nach einem internationalem Abkommen, wie dem ECE-Abkommen, als zulässig eingestuft wird. Die vorgeschlagene Verordnung ist 2016 international in Kraft getreten und wurde im Dezember des Jahres in das österreichische Gesetz eingearbeitet. Mit der Verordnung schafft der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie den ersten rechtlichen Rahmen für automatisiertes Fahren. Dem Gesetz sind klare Definitionen zu entnehmen. Die Entwicklungsstufen „vollautomatisiert“ und „hochautomatisiert“ sollen getestet und analysiert werden. Weiterhin ist ein Lenker unentbehrlich, der die Systeme zu überwachen hat und zu jeder Zeit, aber vor allem in Notsituationen in das System eingreifen kann. Aufgrund der §§ 34 Abs. 6, 102 Abs. 3a und 3b des Kraftfahrgesetzes 1967, BGBl. Nr. 267/1967 zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 67/2016, wurde doch einiges rechtlich „evolutioniert“: 
Wie man sieht, hat der Gesetzgeber 2016 reagiert, da der Lenker bisher stets zur Festhaltung der Lenkeinrichtung mit einer Hand verpflichtet war. In der 33. Novelle des KFG wurden die Pflichten des Fahrzeuglenkers um die Absätze 3a sowie 3b erweitert: 
1. Nach § 102 Abs. 3 werden folgende Abs. 3a und 3b eingefügt:    
 „(3a) Sofern durch Verordnung vorgesehen, darf der Lenker bestimmte Fahraufgaben im Fahrzeug vorhandenen Assistenzsystemen oder automatisierten oder vernetzten Fahrsystemen übertragen, sofern 
1. diese Systeme genehmigt sind oder 
2. diese Systeme den in der Verordnung festgelegten Anforderungen für Testzwecke entsprechen.     (3b) In allen Fällen gemäß Abs. 3a kann von den Pflichten des Abs. 2 erster Satz und Abs. 3 dritter Satz, erster Fall, abgewichen werden. Der Lenker bleibt aber stets verantwortlich, seine Fahraufgaben wieder zu übernehmen.     Durch Verordnung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie ist festzulegen, 
1. in welchen Verkehrssituationen, 
2. auf welchen Arten von Straßen, 
3. bis zu welchen Geschwindigkeitsbereichen, 
4. bei welchen Fahrzeugen, 
5. welchen Assistenzsystemen oder automatisierten oder vernetzten Fahrsystemen bestimmte Fahraufgaben übertragen werden können.“

2. Dem § 135 wird folgender Abs. 30 angefügt: „(30) § 102 Abs. 3a und 3b in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx treten mit Ablauf der Kundmachung dieses Bundesgesetzes in Kraft.“  

Conclusio: Vorab kann für uns Versicherungsmakler als Beratungsdienstleister „Entwarnung“ gegeben werden, haben sich die grundlegenden rechtlichen Fragen nicht geändert. Anders ausgedrückt: Die Versicherung folgt der Haftung und hat sich hier eben nichts geändert. Es ist somit keine grundlegende Änderung des Konzepts notwendig, bleiben Verschuldenshaftung, Haftung nach dem EKGH sowie nach dem PHG bis dato unberührt. Faktum ist, der Lenker muss zu jedem Zeitpunkt eingreifen können. Die Verantwortung liegt beim Lenker. Davon aber unberührt bleiben zukünftige Herausforderungen: Nachdem jeder menschliche Lenker ein ethisches Urteilsvermögen besitzt und danach handeln kann, ist unbestritten. Wie aber wird es sein, wenn ein vollautomatisiertes Fahrzeug in eine Dilemna-Entscheidungssituation gerät: Das System und eben nicht der Lenker hat zu entscheiden, ob es eine am Zebrastreifen befindliche Familie niederfährt oder doch die danebenliegende Betonmauer rammt. Die und viele anderen Fragen hat die Forschung zu beantworten. Uns bleibt dann die Entscheidung gesellschaftspolitisch darüber zu urteilen.